Schon gewusst (12)? – Wie wird man eigentlich Lokführer?

Button Schon gewusst NEUWie vielleicht der eine oder andere weiß, ist der Betreiber dieser Internetseiten beruflich als Lokführer tätig. Damit wurde ein Kindheitswunsch erfüllt, wenn auch über den Umweg einer bzw. zweier (da Wechsel in die Schweiz) Weiterbildungen statt über eine Lehre (die Bahn sortierte seinerzeit durchschnittliche Schüler aus und wollte nur die besten ausbilden). Aber nun kann ich sagen: Grundsätzlich kann jeder Lokführer werden!

Wie funktionierts?

Einerseits gibt es die Möglichkeit, nach der Schule eine Berufsausbildung zum Eisenbahner im Betriebsdienst zu machen. Das ist dann die klassische 3-jährige Lehre, nach der man dann vollwertiger Lokführer ist (aber erst mit 21 darf man auch richtige Züge fahren, vorher macht man Überführungs- oder Bereitstellungsleistungen). Voraussetzung ist im Optimalfall ein Realschulabschluss oder Abitur, aber ein guter bis sehr guter Hauptschulabschluss genügt eventuell auch.

Der zweite und heute fast schon der „normale“ Weg ist eine Weiterbildung (auch Umschulung genannt). Die Voraussetzungen dafür sind im Regelfall eine abgeschlossene Berufsausbildung (egal, welche!) oder ein abgeschlossenes Studium. Dabei wird einem in 9 bis 12 Monaten der Beruf des Lokführers geschult. Viele Eisenbahner sagen, das sei zu wenig, aber in der klassischen Ausbildung nehmen die bahnbetriebliche Themen auch keinen viel höheren Zeitanteil ein.

Wer bildet aus?

Für die Berufsausbildung ist die Deutsche Bahn AG hier im Landkreis Lörrach die Firma der Wahl, wobei sowohl im Nah-, als auch im Fern- oder Güterverkehr ausgebildet wird. Die theoretische Ausbildung kann hierbei an weiter entfernt liegenden Orten wie z.B. Offenburg stattfinden, während die Praxis im Regelfall vor Ort ist (Haltingen bzw. Basel Bad Bf).

Die Weiterbildung bieten unzählige Bahnunternehmen an, vor allem für den bundesweiten Güterverkehr. Wer es regionaler mag, der hat grundsätzlich die Wahl zwischen Deutschland oder der Schweiz (Frankreich ist hier etwas abwegiger). Auf deutscher Seite bilden die Deutsche Bahn (Personen- und Güterverkehr) sowie die SBB Deutschland GmbH (S-Bahnverkehr S5 und S6) regelmässig Lokführer aus. In der Schweiz sind dies im Raum Basel vor allem für den Personenverkehr die SBB AG sowie für den Güterverkehr die SBB Cargo, SBB Cargo international und BLS Cargo. Wer beides machen möchte oder für verschiedene Firmen eingesetzt werden möchte („Leihlokführer“), dem steht in Basel mit dem Personaldienstleister MEV Schweiz eine Alternative bereit.

Bin ich tauglich?

Für den sicherheitsrelevanten Beruf des Lokführers muss man eine Tauglichkeitsuntersuchung absolvieren. Diese wird auch regelmässig alle 3 bis 5 Jahre wiederholt.

Bei der Erstuntersuchung, welche noch vor dem Zustandekommen (oder auch nicht) eines Arbeitsvertrages stattfindet, wird neben einem Gesundheitscheck auch eine psycholgische Untersuchung, ein Reaktionstest und ein Intelligenztest durchgeführt. Der Gesundheitscheck umfasst Urin- und ggf. Blutproben sowie die Feststellung des allgemeinen Gesundheitszustandes. Diverse chronische Erkrankungen oder eine Medikamenteneinnahme sind explizit kein Ausschlusskriterium, wenn sie keine sicherheitsrelevanten Gefahrensituationen verursachen können (Schlafapnoe, Tagesmüdigkeit, Epilepsie, Herzkrankheiten wären ein Ausschlusskriterium, Bluthochdruck oder Asthma meist nicht). Übrigens: wer regelmässig Hanfprodukte (egal ob THC oder CBD) oder Drogen konsumiert, hat keine Chance. Auch sollte man nicht allzu oft Alkohol konsumieren müssen.

Wie läuft die Ausbildung ab?

Grundsätzlich besteht die Ausbildung aus Theorie und Praxis. Es gilt, die umfangreichen Regelwerke der Eisenbahn kennen und beherrschen zu lernen und in der Praxis anzuwenden. Zuerst ist es viel Theorie, zum Schluss hin fast nur noch Praxis sprich das Vor- und Nachbereiten sowie das Fahren von Zügen zuerst als Begleitperson, später selbst fahrend in Begleitung eines (Lehr-)Lokführers.

Ist doch nur Knöpfchendrücken und Hebel schieben!

Falsch – obwohl sich der Glaube beharrlich hält. Generell besteht ein Dienst neben den 40-70% Fahrleistung vor allem auch aus technischen Kontrollen wie den Bremsproben (funktionieren die Bremsen wie vorgeschrieben?) oder dem Prüfen der Sicherheitseinrichtungen (dem oft so genannten „automatischen Bremssystem“, das in Wirklichkeit SIFA, PZB, LZB, INTEGRA, ZUB oder ETCS heißt). Außerdem kommen je nach Arbeitsplatz das Kuppeln oder Entkuppeln, Überprüfen der Wagenreihung, Bremsberechnungen, aber auch teils längere Fußwege oder Gastfahrten (als Fahrgast zum Einsatzort) hinzu.

Und selbst das Fahren an sich ist nicht so einfach wie Auto zu fahren. Man braucht viel Gefühl, besonders beim Anfahren und Bremsen. Mit dem Zug Reisende kennen das Rucken beim Anfahren oder Anhalten, das beweist dass der jeweilige Lokführer dieses Gefühl wohl eher nicht hat. Ein Lehrlokführer sagte mir seinerzeit, dass es heiße „Mit dem Bremsen ist es wie beim Tanz – man lernt es nie, oder man kann’s“.

Fazit: Lokführer ist mehr als nur stupide aus dem Fenster gucken!

Und Prüfungen?

Die kommen immer wieder! In der Ausbildung gibt es regelmässig Zwischentests, „kleine“ Prüfungen wie die zum Wagenprüfer oder Bremsprobeberechtigten und natürlich die große theoretische und praktische Abschlussprüfung. Je nach Arbeitgeber kommt noch eine Prüfung am Simulator hinzu, die das richtige Verhalten bei Störungen behandelt.

Und danach wird es auch nie ganz ruhig: ab und zu fährt der Vorgesetzte mit, ein bis zwei Mal im Jahr gibt es einen kleinen Test nach einer Weiterbildung, in der Schweiz wird alle fünf Jahre alles geprüft, was sich dann „periodische Prüfung“ nennt.

 Wenn’s dann geschafft ist?

Zugegeben, die Durchfallquote schwankt zwischen 0 und 80%, je nach Auszubildenen und Ausbildern. Eigentlich kann es jeder schaffen, der motiviert und interessiert dabei ist!

Nach allen Prüfungen kommt die große Freiheit: man ist mehr oder weniger allein unterwegs, keine Kollegen die einen nerven können, der Chef in der Regel weit weg, man ist unterwegs, lernt neue Orte kennen (gut, bei der SBB Deutschland gilt das nur sehr eingeschränkt…).

Man sieht wie vielfältig das Wetter sein kann, wie die Jahreszeiten kommen und gehen, sieht Schneestürme, Gewitter, fantastische Sonnenauf- und Untergänge, in der Schweiz kommt ein regelmässiger Alpenblick in wechselnden Farben und das Phönomen des Fön hinzu. Kurzum: es ist abwechslungsreich, selbst wenn man immer die gleichen Strecken fährt!

Bewerben!

Jeder Interessent sollte sich umgehend bei einem Bahnunternehmen seiner Wahl (oder bei allen) bewerben! Gegebenenfalls kommen die Kosten für die Tauglichkeitsuntersuchung hinzu, bei mir waren das (nur) in der Schweiz einmalig 200 Franken.

Fazit:

Es gibt für mich kaum einen anderen so schönen Beruf trotz aller Schattenseiten.

 

 

 

 

 

 

 

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