Bei Bauarbeiten liest man ihn immer mal wieder, den Begriff „Elektronisches Stellwerk“. Doch was ist das überhaupt? Braucht man das wirklich?
Um es etwas einfacher zu machen, fange ich mal mit dem „Urschleim“ an: Wenn auf einer Bahnstrecke nur ein Fahrzeug oder eine gekuppelte Gruppe von Fahrzeugen (der Einfachheit halber sagen wir mal „Zug“) unterwegs ist, braucht man praktisch keine Sicherungstechnik, man benötigt keine Weichen, keine Signale – es ist ja nur ein Zug unterwegs, der schlecht mit sich selbst zusammenstoßen kann.
Sobald aber mehr Züge unterwegs sind, oder verschiedene Strecken zusammenkommen oder es mehrere Gleise gibt, braucht man erstens einmal Weiche, um das Hin- und Herfahren zwischen den verschiedenen Gleisen und Strecken zu ermöglichen sowie das einander Ausweichen von mehreren Zügen zu ermöglichen. Zudem benötigt man Signale, die die Strecke freigeben (oder auch nicht). Wenn ein Zug den jeweiligen Abschnitt belegt, darf kein anderer dort entlangfahren und erst recht keiner entgegenkommen! Die Signale regeln dies, indem sie z.B. „Fahrt“ oder „Halt“ zeigen. Übedies sind Weichen oft nicht mit der vollen Geschwindigkeit befahrbar. Da der Lokführer aber grundsätzlich nicht weiß, auf welche Gleis er entlanggeschickt wird (zum Beispiel bei der Einfahrt in einen großen Bahnhof) und die Bremswege viel zu lang sind, müssen Signale überdies rechtzeitig die jeweilige maximal fahrbare Geschwindigkeit anzeigen.
Und irgendjemand muss diese Signale und Weichen stellen. Dies ist bei der herkömmlichen Eisenbahn (und durchaus auch nach wie vor noch auf Hauptstrecken) der Fahrdienstleiter, der in (fast) jedem Bahnhof sitzt und vor Ort mit Hebeln, Drehschaltern oder Knöpfen die Fahrwege einstellt sowie Signale und Weichen bedient. Letztere können von Hand vor Ort durch einen Weichenwärter gestellt werden oder auch über Seilzüge von eben diesem oder dem Fahrdienstleiter. In moderneren Stellwerken sind die Stellvorgänge elektrisch, die Weichen werden mit Motoren gestellt bzw. die Signale haben Lampen statt Signalflügeln. Hier können die Stellvorgänge elektromechanisch oder eben auch elektronisch vom Stellwerk aus gesteuert werden, niemand muss mehr extrem hart körperlich arbeiten.
Mit der breitflächigen Einführung des Computers kam natürlich irgendwann die Idee auf, diese elektrischen Stellvorgänge per PC ansteuern zu lassen. Dies gilt bis heute als die modernste Form eines Stellwerkes und ist dann eben das „Elektronische Stellwerk“ (EStw). Der Fahrdienstleiter sitzt vor einem Computer mit mehreren Bildschirmen und sieht „seinen“ Stellbereich, also seine Strecken und Bahnhöfe grafisch auf dem Monitor. Er stellt per Mausklick Fahrwege, Signale, Weichen und so weiter. Überdies können die Abläufe für die jeweiligen Züge (jeder Zug hat genau eine Nummer) gespeichert werden und dann automatisch ablaufen.
Braucht man das wirklich?
Ja, denn erstens erhöht es die Sicherheit, da mit Computersystemen die Fehlerquelle Mensch besser überwacht werden kann als mit jedem anderen System. Ein Computer macht etwa je 1000 Handlungen einen Fehler, ein Mensch etwa je 100. Zweitens kann man natürlich mit dem Computer mehrere kleinere Bahnhöfe von einem Ort aus mit einer Person fernsteuern. Man benötigt somit deutlich weniger Personal. Drittens bietet es sich durch das Internet an, mehrere dieser Fahrdienstleiter an einem Ort zusammen arbeiten zu lassen. Dies geschieht heutzutage in Deutschland meist in den sogenannten Betriebszentralen der DB Netz AG.
Man spart also unter Umständen Miete für die einzelnen Stellwerks- bzw. Bahnhofsgebäude bzw. deren Wartung und Instandhaltung. Hier liegt im Übrigen auch einer der Gründe für den Verfall zahlreicher Bahngebäude im Land: da die Fahrdienstleiter nicht mehr vor Ort sind, verfällt alles, Bahnhofsgebäude werden geschlossen, alte Stellwerksgebäude vergammeln. Ob das nun wirklich ein Fortschritt ist, mag jeder selbst beurteilen – zumal früher in kleineren Bahnhöfen die Fahrdienstleiter oft auch die Fahrkarten verkauften, während heute im besten Fall noch ein Automat vor Ort ist.
HINWEIS: Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf bahnbetriebliche Korrektheit und geht der Übersicht wegen nicht allzusehr ins Detail!
Dabei handelt es sich tatsächlich um ein elektronisch gesteuertes